
Sommer früher bedeutete: Entscheidungen treffen. Lieber so früh zum Schwimmbad fahren, dass wir die ersten in Warteschlange sind. Und wenn das Wetter dann doch nicht so heiß wird wie erwartet? Immer noch besser, als bepackt mit Handtüchern in einer endlosen Schlange stehen und dann auch noch die schlechten Liegeplätze kriegen. Und mit dem Gefühl der triumphierend empfunden Blicke derer über die Liegewiese zu laufen, die uns sagten: Wär’ste man früher gekommen. Ein Freibad war und ist ein Lebensgefühl, und notwendig im Stadt-Sommer.
Na klar gibt es natürliche Badeplätze. Vor allem für die, die mit dem Auto zu den Badeseen fahren können – oder in benachbarte Städte. Aber für dieses eine Sommergefühl braucht es eben Kacheln, Chlor und einen gut sortierten Kiosk, damit der Sommer – und damit das Leben – zwar endlos, aber nicht unerträglich wird.
Das Schwimmbad ist ein Ort für alle: Für die, die wirklich schwimmen wollen, für jene, die dösen, lesen, beobachten oder einfach nur in der Sonne liegen. Das Freibad erfüllt viele Funktionen zugleich: Wasser gegen die Hitze, Liegewiesen für Nickerchen, lange Bahnen für ambitionierte SchwimmerInnen, gestaffelte Sitzflächen zum Sehen und Gesehenwerden. Das Freibad ist ein Ort der Erfrischung, aber vor allem: Es herrscht eine andere Zeitrechnung. Die Zeit vergeht im Freibad anders. Erlebnisse erscheinen intensiver oder – je nach Tagesform – besonders fad. Das Herzstück ist der Kiosk: Pommes rot-weiß, Eis am Stiel, kalte Getränke – mehr braucht es meist nicht, um die BesucherInnen glücklich zu machen. Selbst unbequeme Plastikstühle tun ihren Dienst im Schatten der Sonnenliege. Und am Abend gab es dann zu Hause den geliebten Butterkuchen. Teig mit Zucker und Streuseln. Unschlagbar.
Hatten wir alles mal – auch in Delmenhorst.
Heute haben wir ein kleines Schwimmbecken: Nur eine nasse Pfütze ist in Delmenhorst vom ehemaligen Freibad übriggeblieben. Wer kann sich noch erinnern, wie es dazu gekommen ist? Angefangen hat es mit dem Neuantritt der Geschäftsführers der Stadtwerke Delmenhorst, der einige Ideen hatte. Eine Idee war, das bestehenden Hallenbad zu sanieren – aber besser noch: Gleich neu zu bauen. 2004 wurde für das Schwimmbad eine Machbarkeitsstudie zur Frage “Neubau- oder Sanierung“ erstellt. Eine Arbeitsgruppe zur Zukunft des Schwimmbades wurde gebildet. Das Ergebnis: Neubau 10 Mio. Euro und Sanierung 8,5 Mio. Euro. Die Arbeitsgruppe plädiert für einen Neubau.
Dagegen stellte sich die SPD Delmenhorst: Auf einem Parteitag wird die Sanierung als Weg eingeschlagen. Bei der entscheidenden Ratssitzung stimmen am 24.05.2005 vier abgeworbene SPD Ratsmitglieder mit der Gruppe CDU/FDP/Unabhängige/Grüne in einem Basisbeschluss gegen die SPD-Fraktion für einen Schwimmbad-Neubau. Am 31.10.2005 fasst der Rat auf Antrag der SPD und FDP einen Beschluss gemäß Ratsbeschluss vom 24.05.2005 zum Standortentscheid. Das neue Schwimmbad sollte am alten Standort gebaut werden. Der Rat begrenzt den Zuschuss der Stadt für das Schwimmbad auf 1,5 Mio. Euro, auch um die Kosten für den Schwimmbadneubau zu begrenzen. Wir halten fest: Der Neubau sollte 10 Mio. kosten und die Stadt einen Zuschuss von 1,5 Mio. Euro zahlen.
Im Jahr 2007 war dann das auch nur noch Makulatur: Ein 20 Mio. Euro teures, überdimensioniertes Schwimmbad soll gebaut werden. Das Architekten-Büro „geising & böker“ stellt das Projekt Schwimmbad-Neubau dem Rat vor und spricht von einem jährlichen Zuschussbedarf in Höhe von 2,4 Mio. Euro. Er weist darauf hin, dass - wegen des Sonneneinfalls des Bades - das DLRG-Heim abgerissen und an anderer Stelle (Sportbereich) neu aufgebaut werden muss. Ein Jahr später wird dann im Rat die Basisplanung und das neue Anforderungsprofil für den Schwimmbad-Neubau beschlossen. Der Rat beschließt außerdem, dass der Beschluss des Rates, der den jährlichen Zuschuss für das neue Bad auf 1,5 Mio. Euro begrenzt, aufrecht erhalten bleibt. Wenig später übernimmt die Stadt jedoch die Bürgschaft für die gesamte Neubausumme in Höhe von 22,7 Mio. Euro und führt den 1,5 Mio. Euro Zuschussbeschluss ad absurdum. Die SWD GmbH gründet als Tochterunternehmen die BAD Bäderbetriebsgesellschaft mbH. Damit ist dann noch nicht Schluss mit Fehlentscheidungen: Im Jahr 2009 steht der Bau des neuen Schwimmbades an, er soll ungeschützt mitten ins Trinkwassereinzugsgebiet gebaut werden. Damit die Stadtwerke als Muttergesellschaft der BAD GmbH die Schutzmaßnahmen in Höhe von 800.000 Euro sparen können, muss das Trinkwassereinzugsgebiet vorzeitig aufgehoben und das alte Wasserwerk in der Graft stillgelegt werden. Das Ganze folgte der sog. „Graftbogenplanung“. In ein paar Tagen mehr dazu.
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